In 35 Menstruationen um die Welt

Autorin Gabriella Alvarez-Hummel erzählt von den Tücken, Tipps und Pannen ihrer Langzeitreise im Camper.

Foto: Birmingham Museum Trust via Unsplash. Ob die Dame links wohl ihre Tage hat?

Foto: Birmingham Museum Trust via Unsplash. Ob die Dame links wohl ihre Tage hat?

Ich habs mal kurz überschlagen: 1000 Tage waren wir im Van unterwegs. Von Nord- nach Südamerika. One way. Das macht um die 35 Menstruationen. Also gute ein bis zwei Monate, die ich insgesamt zusammengekauert im Van-Bett verbrachte: auf Campingplätzen in Mexiko, an Tankstellen in Chile, tropischen Stränden in Costa Rica, auf 4500 Metern über dem Meeresspiegel in Bolivien. Nicht schlecht, denke ich mir. Das ist eigentlich schon eine Leistung für sich. 

Ein zyklisches Wesen zu sein und ungefähr einmal im Monat zu bluten, lässt sich mal besser und mal schlechter mit dem Reisen, den engen Platzverhältnissen in einem Camper und den örtlichen Gegebenheiten vereinbaren. Erst die gute Nachricht: Wer reist, ist zeitlich flexibel, hat eine sehr überschaubare Anzahl an gesellschaftlichen Verpflichtungen, kann sich entsprechend bei Ankunft von Zyklustag 1 auch einfach hinlegen, bis es wieder geht. Van-Reisende haben dazu einen großen Vorteil: Das Bett immer dabei. 

Bonuslevel Menstruation

Aber! Die Kehrseite der Medaille: Als wäre es nicht schon mühsam genug, nahezu täglich von Neuem Übernachtungsplätze, Trinkwasser, Essen, Routen, Tankstellen und Wifi zu finden, haben wir Menstruierende regelmäßig noch einigermaßen saubere WCs, Tampons, Binden u. Ä. zu organisieren — quasi Bonuslevel im großen Reisespiel.

Dabei hatte ich persönlich großes Glück. Ein paar Monate vor meiner Abreise im 2016 erzählte mir eine Freundin, halb hinter vorgehaltener Hand, von der Menstruationstasse. Damals noch weitgehend unbekannt, zumindest in meiner Bubble. Und was soll ich sagen (ehrlicherweise hab ich’s schon mal in einem Radiointerview gesagt): Es war der beste Reiserat, den ich je erhalten habe. Die Tasse löste gleich mehrere Probleme auf einmal: Abfallminimierung auf Reisen, ohnehin ein wichtiges Thema — und kein lästiges Suchen von Periodenprodukten (buchstäblich die totale Menstruations-Autarkie). Und tatsächlich, in einigen Ländern und vielen ländlichen Orten, so hörte ich später, existieren Tampons zum Beispiel gar nicht. Dafür sei man in Zentralamerika recht praktisch und pragmatisch: Im Kiosk kann Frau nicht bloß einzelne Zigaretten, sondern auch einzelne Tampons erstehen. 

Obacht, Mansplaining!

Das sind doch mal hilfreiche Informationen für Reisende durch Lateinamerika, oder? Nicht, wenn es nach vielen Männern in den einschlägigen Vanreise-Facebookgruppen ging. Fragen danach, wie andere ihre Menstruation unterwegs managen, seien Privatsache und entsprechend nicht erwünscht, hieß es von Dudes, die ansonsten gern nach existenziellen Dingen wie dem besten Tätowierer in Tijuana fragten. Danke, jetzt wird uns sogar noch die eigene Periode gemansplained. Echt nett von dir, bro, deine Frage ist natürlich voll gerechtfertigt, obwohl die vielleicht 1 % der Gruppe interessiert, während wahrscheinlich die Hälfte der Reisenden auf Informationen bezüglich Periode angewiesen wäre. 

Das ließ ein Reisepaar aus den USa nicht auf sich sitzen und so gründeten sie die FB-Gruppe Women Overlanding the World. Ein Ort, in dem jede Frage gestellt werden darf. 

Wer sich übrigens gefragt hat: Ja aber Gaby, hast du denn dann deinen Menstruationsbecher auf dem Campingkocher ausgekocht? Und wie ich das habe, liebe Leute. Mein Becherlein hat schon viele schöne Orte tanzend aus dem Kochwasser heraus gesehen. Ab und zu musste ich auch äußerst flinke Deckel-Manöver anwenden, wenn der Camping-Nachbar spontan angetrottet kam, oder die Kinder vom Dorf nebenan. Selten hatte ich ganz vergessen, was da gerade neben dem Small Talk vor sich hinköchelte. Ist ja auch egal eigentlich.

Damals, als ich meine Tage hatte...

Was mir persönlich nie passiert ist, dafür aber ganz schön vielen anderen im Forum, ist die versehentliche Menstruationstassen-Kernschmelze (Tasse auf der Platte vergessen, Wasser evaporiert, Tasse tot). An sich keine Katastrophe — aber versuch mal, im bolivianischen Altiplano Ersatz zu organisieren (oder in der Zwischenzeit Tampons oder Einlagen). Das wäre entsprechend mein persönlicher Top-Tipp: Ersatz-Tasse mitführen, wenn man lange unterwegs ist. So viel Platz muss sein. Mittlerweile ist ja Periodenunterwäsche sehr beliebt. Wäre bestimmt auch recht praktisch gewesen. 

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, erinnere ich mich in der Tat an viele Momente, in denen ich unterwegs meine Tage hatte. (Die Menstruation als Erinnerungs-Anker — Soziologie-Masterarbeit, anyone?). Viele davon ereignislos herumliegend, andere davon das Gegenteil. In Mexico City zum Beispiel, in dem Taxi, das so kaputt war, dass sich die Fahrt anfühlte wie im Auto der Familie Feuerstein. Ich hätte den Fahrer unter dem Gepolter am liebsten aus dem nicht vorhandenen Fenster geschmissen. Bei Wanderungen, etwa in Ecuador, hatte ich jeweils ein zusätzliches Fläschlein mit Wasser dabei, falls ich den Becher unterwegs mal leeren musste. Auch die Abwesenheit der Tage blieb in Erinnerung als das ewige Warten an der Pazifikküste in Peru, als sie einfach nicht kommen wollten, und ich schon dachte: Ay ay ay, jetzt hats mir einen reingeschneit. Der 10-Cent-Test, der nicht mehr war als ein schlichter, dubioser Streifen Karton, sorgte dann aber für Klarheit.

1000 Tage. Eine Tasse. 35 Menstruationen. Schöner Reisebuch-Titel eigentlich. Oder: In 35 Menstruationen um die Welt?

Nützliche und garantiert mansplaining-freie Reiseinfo-Gruppen auf Facebook:

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Gabriella Alvarez-Hummel ist freie Journalistin und Texterin. Lebt noch immer recht nomadisch zwischen Zürich und Buenos Aires. 

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Warum ich keine Menstruationstasse benutzen kann